von Werner Sticht
Was ist aus Simon Petrus geworden?
Einen Artikel über das Urchristentum und dessen
Gründung durch Paulus, einen Artikel über die Jerusalemer
Urchristen,
sowie ein Skript zu den Abenden unseres Bibelkreises über die
Paulusbriefe habe ich auch verfasst.
Roms Anspruchsdenken
Wenn man der römisch-katholischen Überlieferung glaubt, soll Petrus ja die
Nummer Eins direkt nach Jesus gewesen sein - mit Jakobus und Johannes in
geringem Abstand. Er soll bald die Jerusalemer Gemeinde verlassen haben und die
Gemeinde in Rom gegründet haben, wo er der erste Bischof gewesen sein soll.
Die Bischöfe von Rom sehen sich gerne als Nachfolger des Apostels Petrus.
Sie glauben gerne an ein dem Petrus von Jesus selbst zugesprochene
Vorrangstellung gegenüber allen übrigen Aposteln.
Die Bibelstelle
"Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die
Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen."
(Mt16,18)
wird dabei als ein Mittel zum Zweck herangezogen.
Am Ende hielten sich die römischen Bischöfe sogar für unfehlbar in
Glaubensfragen, und sie bezeichneten sich selbst als Stellvertreter Christi
auf Erden und überhaupt als Oberhaupt aller Christen.
(Siehe Katechismus der Katholischen Kirche und dort die Aussagen
über den
Papst und die
Unfehlbarkeit)
Was für eine christliche Bescheidenheit !
Eine nicht geringe Anzahl von Theologen bezweifeln dagegen die
römisch-katholischen Überlieferung. Viele sind der Ansicht, dass Petrus nie
nach Rom gekommen sei.
Es gibt auch keine einzige gesicherte historische Quelle, die beweist, dass
Petrus jemals in Rom war.
Weitere Infos dazu in Wikipedia.
Was wissen wir über Petrus?
Eigentlich hieß er Simon. Aber Jesus gab ihm auch den Namen Kefa, was ins
Lateinische übersetzt "Petrus" bedeutet.
(Mk3,16)
πέτρος ist das griechisches Wort für einen
Kieselstein, nicht für einen Felsen.
Das Wort wird in den griechischen Übersetzungen benützt.
Paulus verwendete in seinen Briefen den aramäischen Namen Kephas, nicht
den griechischen Namen Petros.
Ins Deutsche übersetzt wäre der Name des Petrus "Schimon Stein".
Was erfahren wir aus dem Markus-Evangelium?
Die erste historische Quelle, die die Berufung des Simon Petrus beschreibt,
ist das Markus-Evangelium.
Dieses entstand etwa im Jahr 70 - also nach der Zerstörung Jerusalems.
Das war etwa 40 Jahre nach dem tatsächlichen Geschehen.
Petrus ist der erste, der von Jesus berufen wurde, zusammen mit Andreas.
Es folgten Johannes und Jakobus der Ältere, die Zebedäus-Söhne. Sie waren alle
Fischer am See Genezareth. (Mk1,16-20)
Petrus war verheiratet und lebte mit seinem Bruder Andreas und auch mit seiner
Schwiegermutter in Kapharnaum.
(Mk1,29-30)
Wahrscheinlich nahmen die Apostel ihre Frauen und Kinder mit, als sie nun mit
Jesus herumzogen. Wir wissen jedenfalls, dass sie nach Jesu Tod
ihre Familien bei ihren Missionsreisen dabei hatten.
(1Kor9,5)
Die Zwölf Apostel werden in
Mk3,16-19
namentlich genannt. Die anderen Evangelien, und auch die Apostelgeschichte,
geben leicht abweichende Namen an.
Aus allen Namenslisten habe ich eine Zusammenstellung gemacht:
Simon,
dem Jesus den Namen Petrus gab;
Jakobus der Ältere und sein Bruder
Johannes, die Söhne von Zebedäus - Jesus nannte sie
"Donnersöhne";
Andreas,
Philippus,
Nathanael Bartholomäus,
Matthäus,
Thomas,
Jakobus der Jüngere, der Sohn von Alphäus,
Judas Thaddäus,
Simon Zelotes, der ehemalige Freiheitskämpfer, und
Judas Iskariot, der Jesus später verriet.
Petrus, Jakobus und Johannes - die ersten Drei - gehören nun zum inneren Kreis
um Jesus.
Es zogen jedoch auch viele andere Anhänger mit Jesus durch das Land, auch
mehrere Frauen. (Mk15,40-41)
Die Jünger aus dem inneren Kreis genossen Vorzüge.
Auf einem Berg ließ Jesus vor ihnen Elias und Moses erscheinen.
Sie sollten über dieses Erlebnis jedoch erst nach Jesu Auferstehung berichten.
(Mk9,2-9)
Auch bei der Ölberggeschichte sind sie dabei. Und sie werden namentlich erwähnt.
(Mk14,33)
Als kurz nach dem Geschehen auf dem Ölberg eine zeitgenössische
Terrorbekämpfungseinheit ausrückte, um Jesus nicht zu töten,
sondern für Zwecke eines Schauprozesses lebend zu fassen, war das für die
Jünger Jesu zu viel. Sie flohen.
(Mk14,50)
Petrus jedoch beobachtete die weiteren Vorgänge aus der Nähe. Dabei wurde
er als Anhänger Jesu erkannt. Er war so erschrocken, dass er abstritt,
Jesus gekannt zu haben. Kurz darauf bereute er sein Tun zutiefst.
(Mk14,66-72)
Die Erscheinung von Elias und Moses und das Geschehen auf dem Ölberg waren
Erlebnisse, die einer der Drei des inneren Kreises (Petrus, Jakobus, Johannes)
später dem Schreiber des Markus-Evangeliums mitgeteilt haben muss.
Wahrscheinlich hat es Petrus dem Autor des Markus-Evangeliums selbst
mitgeteilt. Petrus wird ja in den Evangelien auch immer als erster erwähnt.
Was geben die Paulus-Briefe her?
Weitere Informationen über Petrus haben wir aus den
Paulusbriefen.
Sie sind die ältesten christlichen Schriften überhaupt.
Den auferstandenen Jesus soll Petrus als erster gesehen haben.
Danach erschien er allen aus dem engsten Kreis der Jünger.
Dann haben ihn mehr als fünfhundert Brüder und Schwestern gleichzeitig gesehen.
Später ist er Jakobus dem Gerechten und schließlich allen Aposteln
erschienen. Zuletzt hat er dann auch Paulus bekehrt.
(1Kor15,5)
(Die Erscheinungen Jesu nach der Auferstehung werden in jedem der einzelnen
Evangelium unterschiedlich und teilweise stark voneinander abweichend
dargestellt.)
Drei Jahre nach seiner Bekehrung - also etwa in den Jahren 34/35 - ist
Paulus nach Jerusalem gereist, um "Kephas" kennen zu lernen.
Er kommt mit Petrus und Jakobus dem Gerechten, dem Bruder Jesu, in Kontakt.
(Gal1,18-19)
Was werden Petrus und Paulus in diesen 15 Tagen besprochen haben?
Petrus kannte Jesus sehr gut, Paulus überhaupt nicht. Paulus hatte also viel zu
lernen über die Person des Jesus und über dessen Lehre.
Paulus hat dagegen in Damaskus das Leben der dortigen Christengemeinde kennen
gelernt. Dort hatten Juden einen recht lockeren Umgang mit ihren nicht-jüdischen
Nachbarn. Und die Nachbarn zeigten großes Interesse an den Lehren Jesu.
Dabei erkannten die dortigen Christen die Jüdischen Gesetze als Hindernis -
man denke nur an die Beschneidung.
Paulus war aber auch der Überzeugung, dass er seine Lehre in einer Vision direkt
von Gott selbst bekommen habe. Er war der Ansicht, dass alle Menschen Kinder
Gottes sind - Jesus dann der bevorzugte Sohn Gottes. Alle, die an Gott glauben,
gehören nun zu Gottes bevorzugtem Volk.
Anscheinend konnte Paulus dem Petrus seine eigenen paulinischen Glaubensvorstellungen überzeugend vermitteln.
Denn nun verzichtete auch Petrus auf die strenge Befolgung des
Jüdischen Gesetzes, etwa der Reinheitsgebote und der Beschneidung - zumindest
bei Griechen und Römern.
14 Jahre später treffen sich Petrus und Paulus in Jerusalem wieder.
Das Treffen ist als das
Apostelkonzil bekannt.
Es fand nach Angaben der Theologen irgendwann zwischen 44 und 49 statt.
Anlass für das Treffen waren Streitigkeiten, ob die Christen das Jüdische
Gesetz - insbesondere Reinheitsgebote und Beschneidung - einzuhalten hätten.
Petrus vertrat die Ansicht, dass Beschneidung und Reinheitsgebote den
Heidenchristen nicht zugemutet werden sollten.
Also verständigte man sich darauf, dass Gott dem Paulus den Auftrag gegeben hat,
den nichtjüdischen Völkern die Botschaft von Christus zu verkünden, so wie
er Petrus aufgetragen hat, sie den Juden zu bringen.
Jakobus der Gerechte (der Bruder Jesu), Kephas und Johannes galten damals als
die Säulen der Gemeinde.
(Gal2,1-10).
Was erzählt uns die Apostelgeschichte?
Die Apostelgeschichte des
Lukas mag als das Heldenepos des Christlichen Glaubens angesehen werden.
Als historisches Dokument ist sie kaum zu gebrauchen. Dennoch gibt sie uns
weitere Informationen zum Leben des Petrus. Entstanden ist sie erst um das
Jahr 90, also 30-60 Jahre nach dem eigentlichen Geschehen.
Die Kapitel 1-12 der Apostelgeschichte nennen Petrus als Hauptakteur.
Nach dem Pfingstereignis hält Petrus öffentlich eine lange Rede. Angeblich 3000
Menschen ließen sich daraufhin taufen. Es entstand die Jerusalemer Gemeinde, die dann schnell immer
mehr Mitglieder bekam. Immer wieder gab es Reibereien mit der Tempelpolizei und
mit dem Hohen Rat, was schließlich zum Martyrium des Stephanus führte.
Die neue Glaubensgemeinschaft breitete sich schnell in Palästina aus.
Petrus missioniert beispielsweise auch in Lydda (Lod) und Joppe (Jaffa,
Tel Aviv).
(Apg9,32-43)
In einer Vision erfährt Petrus, dass die Reinheitsgebote nicht mehr gültig sind.
(Apg10,11-16)
Schon in Mk7,1-23
hat ja Jesus selbst die Reinheitsgebote als Quelle von Heuchelei verurteilt
und gleichsam abgeschafft.
Petrus verkündet den christlichen Glauben nun auch den Heiden und tauft sie.
Er hat Tischgemeinschaft mit Nichtjuden.
(Apg10,23-48)
Vor den Christen in Jerusalem muss er sich deshalb rechtfertigen.
(Apg11,1-18).
Etwa um das Jahr 44 begann
Herodes Agrippa eine
Christenverfolgung in Jerusalem.
Dabei wurde Jakobus der Ältere, der Sohn des Zebedäus, enthauptet.
(Apg12,1-2).
Als sein Nachfolger wurde
Jakobus der Gerechte, ein Bruder Jesu, gewählt.
Bei der Verfolgung wurde auch Petrus gefangen genommen. Es gelingt ihm aber die
Flucht. Zuerst geht er zum Haus des Johannes Markus. Dann verlässt Petrus
Jerusalem. (Apg12,1-17).
Er tritt dann erst wieder beim Apostelkonzil auf.
Viele Christen flohen wegen der Verfolgung damals nach
Antiochia am Orontes (heute Antakya, Türkei).
Sicherlich war Petrus unter ihnen.
Schon vorher war dort eine der ganz frühen Gemeinden entstanden.
Hier wurden sie auch erstmals "Christen" genannt.
Antiochia am Orontes mit etwa ½ Million Einwohnern war damals die Hauptstadt
der römischen Provinz Syrien und auch die drittgrößte Stadt des römischen
Reiches nach Rom und Alexandria.
Die Apostelgeschichte lässt es offen, wie diese Gemeinde in Antiochia entstand.
Es wird in der Apostelgeschichte nur beschrieben, dass von Antiochia aus
Missionsreisen des Paulus und seiner Mitchristen begannen.
(Apg13)
Die zugehörigen Erzählungen in der Apostelgeschichte beginnen nach den Texten
zur Christenverfolgung. (Apg12) Man könnte daraus schließen, die Missionsreisen des
Paulus hätten erst ab dem Jahr 45 begonnen.
Paulus hat aber bereits um das Jahr 35 missioniert.
Offensichtlich kannte Lukas die ersten Missionen des Paulus von 35-44 nicht.
Als Folge davon kommt er mit dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse durcheinander.
Es ist weiterhin aus den Paulusbriefen bekannt, dass Paulus sogar bis
Illyrien
kam, dem Gebiet etwa des ehemaligen Jugoslawiens.
Auch von seinem Aufenthalt in Galatien und seinen drei Aufenthalten in Korinth
erfahren wir in der Apostelgeschichte kaum etwas.
Obwohl Lukas in epischer Breite über Paulus erzählt, so ist seine Erzählung
doch lückenhaft.
Lukas erzählt uns von den Schwierigkeiten zwischen Heidenchristen und
Judenchristen, die wir schon aus den Paulusbriefen kennen.
Viele Judenchristen meinten, die Heidenchristen müssten beschnitten werden.
Deshalb trafen sich Paulus und einige Anhänger mit den Anführern der
Judenchristen, nämlich mit Jakobus dem Gerechten, Petrus und Johannes in
Jerusalem zum Apostelkonzil etwa im Jahr 48. Sie wollten das Problem klären.
Man verzichtete einvernehmlich auf die Beschneidung der Heidenchristen.
Man vereinbarte damals auch - auf Wunsch von Jakobus dem Gerechten -
Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden.
(Apg15,28-29)
Beim Apostelkonzil trat Petrus letztmals in der Apostelgeschichte auf.
In seiner Rede dort lehnt er u.a. die Beschneidung der Heidenchristen ab.
(Apg15,7-11).
Danach erfahren wir nichts mehr über Petrus in der Apostelgeschichte.
Von nun an wird dort die Mission des Paulus beschrieben.
Nicht nur in Jerusalem, sondern auch in Antiochia am Orontes gab es immer noch
Judenchristen, die weiterhin die Beachtung des jüdischen Gesetzes forderten.
Sie lehnten beispielsweise auch die Tischgemeinschaft mit Heidenchristen ab.
Aber Paulus forderte gerade diese Tischgemeinschaft von Juden- und
Heidenchristen. Petrus jedoch tolerierte die separatistischen Judenchristen.
Als Petrus und Paulus in Antiochia zusammentrafen, kritisierte Paulus den
Petrus deswegen scharf. (Gal2,11-21)
Paulus reiste um 56 (nach Lüdemann 54) letztmals nach Jerusalem, um eine
Geldsammlung der Heidenchristen zu überbringen. Er wurde dort verhaftet.
Zu dieser Zeit war Petrus nicht mehr dort.
(Paulus war zwei Jahre Gefangener in Caesarea. Dann wurde er nach Rom
gebracht.)
Wenn man die letzten Kapitel der Apostelgeschichte liest, so erscheinen sie
wie eine damalige dramatische Seefahrergeschichte.
Der Autor der Apostelgeschichte hat wohl eine Seefahrergeschichte angepasst.
Er selbst dürfte vom Transport des Gefangenen Paulus kaum Einzelheiten gewusst
haben, auch kaum etwas von dessen Aufenthalt in Rom und fast gar nichts vom
aktuellen Geschehen in Rom. (Siehe Bornkamp)
Im letzten Kapitel der Apostelgeschichte wird der Aufenthalt des Paulus in
Rom beschrieben. Er lebte dort zwei Jahre in einer Wohnung.
(Apg28,30-31)
Die Apostelgeschichte bricht danach abrupt ab und endet somit um das Jahr 60.
Kurz zusammengefasst
Petrus wird im letzten Kapitel der Apostelgeschichte nicht erwähnt.
Sonst hat der Autor der Apostelgeschichte (Lukas) doch viel und gern von Petrus
erzählte.
Deshalb ist sein Nicht-Erwähnen des Petrus ein starkes Indiz, dass Petrus
bis dahin nicht nach Rom gekommen ist.
Auch Paulus grüßt am Ende seines Briefs an die Römer
(Röm16)
den Petrus nicht. Das deutet ebenso darauf hin, dass Petrus zur Zeit
der Abfassung des Briefs (um 54) nicht in Rom war.
Denkbar ist noch die Möglichkeit, dass Petrus und Paulus sich in Antiochia so
zerstritten hatten, dass sie sich fortan gegenseitig ignorierten.
Petrus und Paulus galten bereits im 1. Jahrhundert als Symbolfiguren des
christlichen Glaubens. Petrus war der Missionar für die Judenchristen,
Paulus war der Missionar für die Heidenchristen.
Als solche wurden die beiden gemeinsam verehrt.
Das bedeutet aber nicht, dass sie beide zusammen in Rom gewesen wären und dass
beide dort hingerichtet worden seien.
Petrus war nach Jesu Tod in Jerusalem. Ab 44 war Petrus zumindest zeitweise in
Antiochia. Nach dem Apostelkonzil im Jahr 48 scheint er Jerusalem endgültig
verlassen zu haben. Wie lange er in Antiochia war, wissen wir nicht.
56 war er jedenfalls nicht mehr in Jerusalem.
Wir wissen von da an eigentlich gar nichts mehr von ihm.
In der Zeit des römischen Kaisers Neros gab es einen
großen Stadtbrand in Rom. Man behauptete später, Nero sei
dafür verantwortlich gewesen. Das ist inzwischen unter Historikern
zweifelhaft.
Bei so einem schrecklichen Ereignis suchen bestimmte Menschen gerne Sündenböcke,
denen man die Schuld dafür in die Schuhe schieben kann.
Kaiser Nero jedenfalls hat diesmal die exzentrischen Christen als
Opfer ausgeguckt. Es gab bestialische Hinrichtungen.
Dabei wurden viele Christen getötet - und falls er tatsächlich in Rom war,
wohl auch Petrus.
Weitere Infos über Petrus in
Wikipedia.
Die Petrusbriefe
Im Neuen Testament gibt es einen
Ersten und einen
Zweiten Petrusbrief.
Der Text des Ersten Petrusbriefs wurde in im 2. Jahrhundert immer als
authentisch angesehen. Heute bezweifelt die Mehrheit der Forscher, dass Petrus
der Verfasser gewesen sei.
Jene, die den Brief für echt halten, datieren ihn um das Jahr 60. Die anderen
bevorzugen die Jahre um 90.
Da der Brief weitgehend Aussagen des Römerbriefs in Kurzform bringt, gehe ich
hier auf den Inhalt nicht näher ein. Zwischen Petrus und Paulus gab es nur
wenige theologische Differenzen.
Auffällig im Ersten Petrusbrief sind Formulierung über die
Priesterschaft der Gläubigen, welche für die evangelische
Theologie von Bedeutung ist.
Auch das Wort vom Stein, den die Bauleute verworfen haben, und der zum
Eckstein geworden ist, taucht hier auf.
(1Pet2,4-10)
Am Ende des Briefes steht ein Gruß Es grüßt euch die mitauserwählte Gemeinde
in Babylon und Markus, mein Sohn.
(1Pet5,13 in Einheitsübersetzung)
(Anmerkung: In der Vulgata steht für
1Pet5,13:
"salutat vos quae est in Babylone cumelecta et Marcus filius meus".
Damit ist die Übersetzung in "Hoffnung für alle" nicht richtig.)
Dieser Abschiedsgruß führte zur Bildung von beliebten Legenden.
So wird aus "Babylon" gerne das heidnische Rom gemacht.
Markus wird als Sohn des Petrus wahrgenommen und mit dem
Evangelisten Markus bzw. dem Johannes Markus aus der
Apostelgeschichte (Apg12,12) gleichgesetzt.
Eusebius von Caesarea bestätigt diese Auslegung in
seiner Kirchengeschichte aus der Zeit um 290.
(2.Buch,Kap15)
Der Text des Zweiten Petrusbriefs gilt als nicht authentisch.
Selbst Eusebius von Caesarea bezweifelte die Urheberschaft des Petrus.
(3.Buch,Kap3)
Im Brief wird vor Irrlehrern gewarnt, die im 2. Jahrhundert für Streit sorgten.
Außerdem wird am Ende des 1. Jahrhunderts die Frage nach der
Wiederkunft Jesu dringend.
Die Christen mussten beschwichtigt werden.
Deshalb geht der 2. Petrusbrief auch auf das Thema ein. (2Pet3,3-8)
Der Brief ist also in einer Zeit entstanden, die mit der Zeit des
2. Thessalonicherbrief des Paulus zu vergleichen ist -
schätzungsweise nach 110.
Apokryphen über Petrus
Diese Apokryphen wurden schon von Eusebius von Caesarea als unecht eingestuft.
(3.Buch,Kap3)
Sie sind nicht im Kanon des Neuen Testaments enthalten.
Auch wurden sie alle nicht von Petrus verfasst.
Im einzelnen sind dies
Wir haben hier eine etwas ausufernde Legendensammlung vor uns.
Obwohl einige Kleriker gerne darauf zurückgreifen, ist ihr historischer Gehalt
wertlos. Die Legende der Kreuzigung des Petrus mit dem Kopf nach unten
stammt z.B. aus den Petrusakten.
Aufbau einer kirchlichen Rangordnung
In späteren Jahren führten viele Patriarchate, etwa die von Alexandria,
Antiochia am Orontes, Rom, Jerusalem und Konstantinopel ihre Gründung auf
Petrus zurück. Sie beanspruchten ihn als ersten Bischof der Gemeinde, und sie
wollten so ihren Rang im Wettstreit um die kirchliche Führung erhöhen.
Dass Petrus einer der Leiter der christlichen Gemeinde in Antiochia am Orontes
gewesen ist, lässt sich aus der Apostelgeschichte und aus dem Galaterbrief
des Paulus noch erschließen.
Die Angabe, dass Petrus nach Rom gekommen sei, ist aus der Bibel nicht mehr
ersichtlich. Und sie ist umstritten.
Dass Petrus und Paulus nach Rom gekommen seien und dort gefoltert wurden,
erfahren wir von Eusebius von Caesarea in dessen Kirchengeschichte,
3.Buch,Kap1. Eusebius übernahm die Angaben aus einer
Schrift des Kirchenvaters Origines, die aber verloren ist.
Interessant ist auch, dass Eusebius einen Linus, nicht Petrus,
als ersten Bischof von Rom angibt.
(3.Buch,Kap2)
Das Bischofsamt entstand also nach dem Tod des Apostels.
Dass Petrus die Gemeinde in Rom sicherlich nicht gegründet hat,
erkennt man daran, dass Paulus in Korinth Judenchristen traf, die Rom wegen
eines Ediktes des Kaisers Claudius verlassen mussten.
(Apg18,2)
Das war zeitlich vor dem Apostelkonzil, und da war Petrus noch in
Jerusalem oder Antiochia. (Siehe Zeitangaben zu Paulus.
)
Fast alle Autoren, die Petrus in Rom verorten, beziehen sich in ihren Berichten
auf Papias von Hierapolis.
Dessen belegender Text ist jedoch auch verloren.
Papias weist uns aber darauf hin, dass Johannes Markus der Dolmetscher des
Petrus war. Wer also meint, dass Petrus nach dem Pfingstereignis plötzlich
griechisch und lateinisch sprechen konnte, hat einen zu tiefen Glauben.
Die Sprachbarriere begrenzte das Missionsgebiet der Apostel.
Einige recht zweifelhafte Autoren ziehen noch andere Quellen herbei.
Sie sehen dabei schon die gemeinsame Nennung der Namen des Petrus und des
Paulus für einen Beweis an, dass Petrus Bischof von Rom gewesen sei, und dass
er dort getötet worden sei.
Sie nennen dann beispielsweise den 1. Clemens-Brief, Kapitel 5
(1Cle5) und den Brief des Ignatius von Antiochia
an die Römer, Kapitel 4
(4Ign4).
Jedenfalls sind die Angaben, dass Petrus in Rom mit dem Kopf nach unten
gekreuzigt worden sei, und dass Paulus bei der Christenverfolgung durch Nero
in Rom "gemartert" worden sei, um das Jahr 290 in der Kirchengeschichte des
Eusebius festgehalten.
(3.Buch,Kap1)
Offensichtlich hat sich diese Auffassung bis dahin durchgesetzt und wurde auch
allgemein angenommen.
Die Auffassung war bei einigen Kirchenleuten so beliebt, dass sie zu deren
Untermauerung sogar vor Geschichtsfälschungen nicht zurückschreckten.
Nach Angaben des Kirchenvaters
Hieronymus soll Petrus um das Jahr 40 sogar die Gemeinde
in Rom gegründet und als erster Bischof geleitet haben.
Hieronymus widerspricht damit sogar der Apostelgeschichte, nach der Petrus
mindestens bis zum Apostelkonzil (um 48) ein Leiter der Jerusalemer Gemeinde
war, und danach in Antiochia am Orontes tätig war.
Das monarchische Bischofsamt entstand nach 100. Zu dieser Zeit waren
alle, die Jesus noch direkt kannten, verstorben. Gleichzeitig gab es wilde
Streitereien unter den Gemeindemitgliedern wegen verschiedener Ansichten über
das Christentum. Deshalb ist es naheliegend, dass eine Orientierungshilfe
geschaffen wurde, die all zu ausufernde Diskussionen eindämmen (oder zensieren)
sollte. Wahrscheinlich wurde deshalb das Bischofsamt geschaffen.
Die Bischöfe wurden in den Gemeinden nicht immer gerne angenommen. (Siehe
Brief des Ignatius von Antiochia an die Magnesier,
insbesondere dort
Kapitel 6. Weitere Info in
Wikipedia)
Leider wurden daraufhin die Streitereien auf Bischofsebene weiter geführt.
(Siehe Der Krieg der Hirten)
Das Bischofsamt setzte sich parallel zur Kanonbildung des NT bis 400 allmählich
durch und prägte die orthodoxe und spätere katholische Staatskirche.
Es reagierte auf das Wachstum des Christentums und übernahm römische
Verwaltungsstrukturen.
Der spätere Rangstreit der Bischöfe ist mit der Lehre von Jesus überhaupt
nicht zu vereinbaren.
Evangelientexte zum Rangstreit der Jünger (etwa
Mk10,35-45)
lehnen eine Führungsbefugnis für einzelne der von Jesus Berufenen ab und
kritisieren den Wunsch danach als Verleugnung der Selbsthingabe Jesu.
Deshalb war eine Führungshierarchie den Urchristen der ersten Generation
unbekannt und widersprach ihrem Selbstverständnis. Alle Christen waren gemäß
Jesu Gebot des gemeinsamen Dienens ohne Rangordnung gleichermaßen die "Heiligen".
(Röm15,25-28)
Zwar hatten die Zeugen der Ostererscheinung Jesu die unumstrittene Autorität
(1Kor15,3-11) als Missionare.
Doch nicht sie, sondern Gemeindesynoden trafen Entscheidungen für alle.
(Apg15,23-31 oder
Apg1,21-26).
Petrus war zwar der Erste der Apostel. Er hat viel missioniert und kam,
zumindest in der damaligen römischen Provinz Syrien, viel herum.
Petrus hat aber die Christengemeinde in Rom nicht gegründet. Er war auch
nicht Bischof dort. Ob er überhaupt einmal dort war, ist fraglich.
Weitere Hintergrundinformationen dazu in
Wikipedia.
Literatur
Gerd Lüdemann: Die ersten drei Jahre Christentum. Springe 2009.
Gerd Lüdemann: Paulus, der Gründer des Christentums. Springe 2001/2014.
Gerd Lüdemann: Jesus nach 2000 Jahren. Lüneburg 2000.
Günther Bornkamp: Paulus. Stuttgart 1983.
Hoffnung für Alle. Das Neue Testament. Basel 1989.
Die Bibel. Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers.
Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea.
Erster Clemensbrief.
Die sieben Briefe des Ignatius von Antiochia.
Katechismus der Katholischen Kirche
Lumen Gentium (LG) (Licht der Völker),
Dogmatische Konstitution über die Kirche
Mehrere Zitate habe ich aus
Wikipedia oder
www.bibleserver.com wörtlich übernommen.
Nach oben
Zurück
Drucken
© 2002-2024
Alle Rechte vorbehalten (siehe
Impressum).