Die Jerusalemer Urchristen-Gemeinde


Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Urchristentum. Im Gegensatz zur Missionstätigkeit des Apostels Paulus wird hier die Entwicklung der Jerusalemer Christengemeinde beschrieben.
Über Paulus habe ich einen anderen Artikel geschrieben.
Spätestens nach dem Apostelkonzil (um 48), wahrscheinlich aber schon 44 verließ der Apostel Petrus die Gemeinde von Jerusalem. Auch ihm habe ich einen Artikel gewidmet.

In Jerusalem

Nach der Hinrichtung Jesu flohen viele seiner Anhänger zuerst in ihre Heimat zurück. Bei vielen seiner Jünger war das Galiläa.

Bald hatten sie jedoch Visionen von Jesus, und sie kamen wieder nach Jerusalem. Am Anfang bestand die Leitung der neuen Gemeinde aus Petrus und den beiden Söhnen des Zebedäus, nämlich Jakobus und Johannes. Man nannte sie "die Säulen". Zur Zeit Jesu waren sie dessen engste Vertraute gewesen.

Es gab nach Jesu Tod schon Griechen, die dem neuen Glauben zugetan waren. Sie wurden von den Juden verfolgt und aus Jerusalem verdrängt. (Stephanus, Apg7,58) In anderen Städten konnten sie sich behaupten. Sie verbreiteten den neuen Glauben etwa in Antiochia und Damaskus. Sie wurden von den Behörden Christianos (Apg11,26) genannt. Diesen Namen griffen sie gerne auf.

In Jerusalem wurde, etwa um das Jahr 44, Jakobus, der Sohn des Zebedäus, bei einer Verfolgung durch Herodes Agrippa (Apg12,1-2) geköpft. Sein Namensvetter Jakobus, der Bruder Jesu (auch Jakobus der Gerechte genannt), trat an seine Stelle - offensichtlich wegen seiner Familienzugehörigkeit. Dieser Jakobus wurde in der Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea als erster Bischof von Jerusalem bezeichnet.
Jakobus legte Wert auf die Einhaltung des Jüdischen Gesetzes. Die Gemeinschaftsessen mit den Heidenchristen versuchte er zu unterbinden.
Beim Apostelkonzil (um das Jahr 48) einigte man sich, dass Paulus für die Heidenchristen zuständig sei, die Jerusalemer Gemeinde aber für die Judenchristen. Es war hier bereits eine Trennung vereinbart, obwohl Paulus sich bemühte, eine Einheit zu erhalten. Aber Paulus predigte das Ende des Jüdischen Gesetzes. Das erfuhren auch Juden. Und einige wollten weiter das Jüdische Gesetz befolgen, ja manche ereiferten sich, weil nun einige Juden ihre Kinder nicht mehr beschneiden ließen. So kam es zu einer Spaltung unter den Judenchristen.
Spätestens nach dem Apostelkonzil (um 48), wahrscheinlich aber schon 44 hat der Apostel Petrus die Jerusalemer Gemeinde verlassen. (Apg12,17) Wahrscheinlich ging er nach Antiochia. Er hat - wie schon vorher auch - den Glauben im Lande weiter verkündet.

Der Unterschied in den Denkweisen der Heidenchristen und der Judenchristen war fundamental unterschiedlich. Sie glaubten zwar an die Auferstehung und die baldige Wiederkunft Jesu. Aber sie beharrten auf der Befolgung des Jüdischen Gesetzes, der Beschneidung und der Reinheitsgebote, wobei sie bei letzteren nicht so streng dachten. Den Tempelkult in Jerusalem führten sie weiterhin aus. Die Aussage, dass Jesus für die Sünden aller Menschen gestorben sei, war ihnen fremd. Sie glaubten nicht an die Jungfrauengeburt, sondern, dass Jesus auf naturgemäße Art gezeugt wurde.
Die Vorstellungen der Judenchristen sind im Neuen Testament nur spärlich enthalten, etwa im Jakobusbrief, den man Jakobus dem Gerechten, einem Bruder Jesu (siehe auch Mk6,3), zuschreibt.
Weitere Denkweisen der Judenchristen können aus den Qumran-Schriftrollen erschlossen werden.
Die Judenchristen verstanden sich als jüdische Sekte, die den Jerusalemer Tempelkult praktizierten. Sie waren zelotisch, nationalistisch, fremdenfeindlich und apokalyptisch geprägt - nicht kosmopolitisch und pazifistisch (wie die Heidenchristen).
Am jüdischen Wochenfest, das bei den Heidenchristen zum späteren Pfingsten wurde, sind bei den Judenchristen Leute aus der Gemeinde ausgeschlossen und verflucht worden, wenn sie vom Weg der Thora abwichen. Vielleicht hatten die Judenchristen gar kein Ereignis der Ausgießung des Heiligen Geistes.
Nach Qumrantexten soll es einen Aufseher (Mebacker) gegeben haben, der die gesammte Gemeinde genau kannte, und der die schweren Verstöße von Mitgliedern gegen das Gesetz schriftlich festhielt, um sie zur Buße zu mahnen. Diese Aufseher waren eine Vorform der späteren christlichen Bischöfe.

Als Paulus letztmals nach Jerusalem kam, wollte er öffentlich vorweisen, dass er noch auf dem richtigen Weg wandelt und das Gesetz einhält (Apg21,17-39), was aber dann nicht erfolgreich war und zur Verhaftung des Paulus durch die Römer führte.

Im Jahr 62 wurde Jakobus auf Betreiben des Hohenpriesters Hannas II, einem Sadduzäer, wegen angeblicher Gesetzesübertretung gesteinigt. Eine Gruppe von eifrigen Beobachtern des Gesetzes, Pharisäern, protestierten aufs schärfste, was zur Absetzung des Hannas durch den römischen Präfekten führte.
Jakobus hatte damals schon den Beinamen "der Gerechte". Sein vorbildlicher Thoragehorsam wurde auch außerhalb der Christengemeinde anerkannt. Er stellte eine religiöse Instanz dar, durch die sich Hannas bedroht gefühlt hatte. Die Steinigung des Jakobus führte dann zur endgültigen Spaltung zwischen Juden und Judenchristen.

Laut Eusebius von Cäsarea sollen die Judenchristen Jerusalem noch vor dessen Zerstörung verlassen haben und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niedergelassen haben. Die Nachfahren dieser Judenchristen lebten auch noch in Kokabe, Nazareth und im syrischen Beröa. Aber auch nach 70 ist vom Jerusalemer Bischof Simeon, ein Vetter Jesu, die Rede. Er soll nach Jakobus bis 107 als zweiter Bischof den Thron dort innegehabt haben.
Nach den Judenaufständen gab es nur noch eine Restgruppe von Judenchristen, die Ebionäer (deutsch: die Armen), welche nachweislich bis zum 4. Jh. über Palästina, das Ostjordanland und Syrien verstreut waren. Sie wurden nun als Ketzer bezeichnet.
Die Heidenchristen hatten ihren Führungsanspruch innerhalb des ersten Jahrhunderts durchgesetzt. Ab etwa 150 war ein Heidenchrist namens Markus Bischof von Jerusalem, das nun Aelia Capitolina hieß.

Der Jakobusbrief

Der Jakobus-Brief wird Jakobus dem Gerechten, dem Bruder Jesu, zugeschrieben. Ob er wirklich von Jakobus stammt, ist nicht sicher. Gerade aber die Hinweise im Brief auf die jüdische Traditionen machen diese Urheberschaft besonders wahrscheinlich. Zudem grüßt Jakobus schon im ersten Satz die "12 Stämme in der Zerstreuung". (Man muss hier in der Übersetzung nach Luther nachlesen.)
Wenn der Brief wirklich von Jakobus dem Gerechten stammt, wäre er vor 62 entstanden und gehörte damit zu den ältesten christlichen Schriften.

Der Jakobusbrief wurde erst im 4. Jahrhundert in den Kanon aufgenommen. Das war zu einer Zeit, als die Christen nicht mehr verfolgt wurden. Nun konnten sie auch ihre sozialen Dienste offen ausüben und entsprechend predigen. Einer der bekanntesten dieser sozialen und den Armen helfenden Kirchenlehrer war Basilius von Caesarea, welcher u.A. für seine "Predigt an die Reichen" bekannt ist. In diesem Zusammenhang mag der Jakobusbrief seine Aufnahme in den Kanon gefunden haben.

Jakobus forderte, auch Gutes zu tun, und dass man nur durch entsprechende Taten vor Gott bestehen kann. (Jak2,20)
Damit steht er im Widerspruch zu Paulus. Paulus betont nämlich, dass allein durch den Glauben die Gnade Gottes geschenkt wird, welche durch Taten nicht verdient werden kann. (Gal2,16)
Deshalb meinte Martin Luther später sogar, man solle diesen Brief aus dem Kanon herausnehmen. Zu streng wird auf die Rechtfertigung vor Gott durch die Werke anstatt durch den Glauben vergewiesen, was den Schriften des Paulus widerspricht.

Man kann den Widerspruch auflösen, wenn man Paulus zugesteht, dass er einen gottgemäßen Lebensstil fordert, der dann beim gläubigen Menschen zu guten Taten führen muss. (Gal5,13-26)

Die grundsätzliche Einstellung des Jakobus kann man finden in Jak2,8-20.
 8  Lebt nach dem wichtigsten Gebot in Gottes neuer Welt: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst! Wenn ihr das in die Tat umsetzt, handelt ihr richtig.
 9Beurteilt ihr dagegen Arme und Reiche nach unterschiedlichen Maßstäben, dann verstoßt ihr gegen Gottes Gebot und werdet schuldig.
10Es hilft dann nichts, wenn ihr alle anderen Gebote Gottes genau einhaltet. Wer nämlich auch nur gegen ein einziges seiner Gebote verstößt, der hat das ganze Gesetz übertreten.
11Denn Gott, der gesagt hat: "Du sollst nicht ehebrechen!", der hat auch bestimmt: "Du sollst nicht töten!" Wenn du nun zwar nicht die Ehe brichst, aber einen Menschen tötest, so hast du Gottes Gesetz übertreten.
12Maßstab eures Redens und Handelns soll das Gesetz Gottes sein, das euch Freiheit schenkt. Danach werdet ihr einmal gerichtet.
13Ohne Gnade wird dann über den das Urteil gesprochen, der selbst kein Erbarmen gehabt hat. Wer aber barmherzig ist, braucht das Gericht nicht zu fürchten. Der Glaube muss sich durch die Tat beweisen
14Liebe Brüder und Schwestern! Welchen Wert hat es, wenn jemand behauptet, an Christus zu glauben, aber an seinen Taten ist das nicht zu erkennen! Kann ihn ein solcher Glaube vor Gottes Urteil retten?
15Stellt euch vor, in eurer Gemeinde sind einige in Not. Sie haben weder etwas anzuziehen noch genug zu essen.
16Wenn nun einer von euch zu ihnen sagt: "Ich wünsche euch alles Gute! Hoffentlich bekommt ihr warme Kleider und könnt euch satt essen!", was nützt ihnen das, wenn ihr ihnen nicht gebt, was sie zum Leben brauchen?
17Genauso nutzlos ist ein Glaube, der sich nicht in der Liebe zum Mitmenschen beweist: Er ist tot.
18Nun könnte jemand sagen: "Der eine glaubt, und der andere tut Gutes." Ihm müsste ich antworten: "Zeig doch einmal deinen Glauben her, der keine guten Taten hervorbringt! Meinen Glauben kann ich dir zeigen. Du brauchst dir nur anzusehen, was ich tue."
19Du glaubst, dass es nur einen einzigen Gott gibt? Gut und schön. Aber das glauben sogar die Dämonen - und zittern vor Angst.
20Wann endlich wirst du törichter Mensch einsehen, dass der Glaube nichts wert ist, wenn wir nicht auch tun, was Gott von uns will?

Ganz im Sinne Jesu geht Jakobus an mehreren Stellen auf die Verderblichkeit des Reichtums ein. Beispielsweise steht in Jak5,1-9:
1  Nun zu euch, ihr Reichen! Weint und klagt über all das Elend, das über euch hereinbrechen wird! (Mt 6,19; Lk 6,24; Lk 12,32)
2Euer Reichtum verrottet, und die Motten zerfressen eure kostbaren Kleider.
3Euer Gold und Silber verrostet. All das wird euch anklagen. Ihr selbst werdet vergehen wie euer Reichtum. Warum seid ihr - so kurz vor dem Ende dieser Welt - nur auf Reichtum aus gewesen?
4Der Herr, der allmächtige Gott, hat den Schrei eurer Erntearbeiter gehört, die ihr um ihren verdienten Lohn betrogen habt. (3Mo 19,13; 5Mo 24,14)
5Euch dagegen ist es auf dieser Erde gut ergangen, ihr habt in Saus und Braus gelebt und euch doch nur für den Schlachttag gemästet. (Lk 16,25)
6Unschuldige habt ihr verurteilt und umgebracht, und sie haben sich nicht gegen euch gewehrt.
7Meine Brüder und Schwestern, wartet geduldig, bis der Herr kommt. Muss nicht auch der Bauer mit viel Geduld abwarten, bis er die Ernte einfahren kann? Er weiß, dass die Saat dazu den Herbstregen und den Frühlingsregen braucht. (Röm 13,11; Tit 2,13; Hebr 10,35)
8Auch ihr müsst geduldig sein und dürft nicht mutlos werden, denn der Herr kommt bald.
9Klagt nicht übereinander, liebe Brüder und Schwestern! Sonst wird Gott euch verurteilen. Bedenkt: Der Richter steht schon vor der Tür. (Jak 4,11)

Literatur

Gerd Lüdemann: Ketzer, die andere Seite des frühen Christentums. Stuttgart 1995.

Gerd Lüdemann, Jesus nach 2000 Jahren, Lüneburg 2000.

Robert Eisenman, Michael Wise: Jesus und die Urchristen. Die Qumran-Rollen entschlüsselt. München 1993

Mehrere Zitate habe ich aus Wikipedia oder www.bibleserver.com wörtlich übernommen.

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