Geschichten, Märchen, Unwahrheiten
Warum erzählt man eigentlich Geschichten?
Das Wort "Geschichte" wird hier als Synonym für eine
Erzählung verwendet.
Als Einstimmung auf das Thema fange ich hier mit ein paar Beispielen an.
Dann erkennt man besser die Zusammenhänge zwischen Geschichten, Märchen und
Unwahrheiten.
Das Märchen vom Rotkäppchen
Ein kleines Mädchen sollt zum Haus der Großmutter gehen. Sie soll nicht vom Weg
abweichen. Sie macht es aber doch, um der Großmutter Blumen zu pflücken.
Sie begegnet dem Wolf, der mit ihr ein nettes Gespräch führt. Dabei erfährt der
Wolf, wo die Großmutter wohnt, und dass das Mädchen sie besuchen will.
Der Wolf geht zum Haus und verschlingt die Großmutter am Stück. Als das Mädchen
dann am Haus der Großmutter ankommt, verschlingt er auch das Mädchen.
Aber Hilfe kommt. Der Jäger findet den Wolf schlafend in Großmutters Bett.
Er schneidet dem Wolf den Bauch auf und Großmutter und Mädchen kommen heraus -
gesund und quicklebendig.
Der Jäger füllt schwere Steine in den Bauch des Wolfes und näht Wolf wieder zu.
Als der Wolf dann aufwacht, hat er Durst. Er geht zum Brunnen, um zu trinken.
Durch das Gewicht der Steine in seinem Bauch fällt er in den Brunnen und
ertrinkt.
Nachdem ich das Märchen vorgelesen bekam, hatte hatte ich viele Fragen.
Wie sieht der Wolf denn aus? Wie groß ist er?
Mutter sagte: "Der sieht aus wie Nachbars Schäferhund. Er ist auch so groß."
Aber Nachbars Schäferhund konnte nur bellen. Und ein Mädchen, wie das von
nebenan, konnte der höchstens beißen, aber nicht verschlingen - und einen
gewichtigen Menschen, wie eine Großmutter, schon gar nicht.
Und dass man einem Wolf im Schlaf den Bauch aufschneidet, und dass der dabei
nicht aufwacht, konnte ich auch nicht verstehen.
Mutter sagte dann: "Nur im Märchen können Tiere sprechen. Und die Geschichte
ist ja nur ein Märchen."
Aber der schaurig-schöne Dialog zwischen dem Mädchen und dem Wolf, der gerade
die Großmutter verschlungen hatte, hat mich damals lange fasziniert:
"Ach Großmutter, was hast Du für ein entsetzlich großes Maul?"
"Damit ich Dich besser fressen kann!"
Ich fragte weiter: "Warum erzählt man solche Geschichten?" Es hat doch fast
alles so nicht ablaufen können?
Mutter sagte, das Märchen soll Kinder ermahnen, folgsam zu sein. Außerdem
gefällt das Märchen den Kindern.
Aber die eigentliche Moral von der Geschichte ist:
Gib Deine Daten keinem Fremden. Der kann sie gegen Dich und auch gegen
andere verwenden. Und das kann tödlich enden.
Das Gewitter
Wenn nach Sonnenschein sich Wolken über dem Himmel ausbreiten, es merklich
dunkler wird, und starker Wind aufkommt, dann ist das für empfindsame Gemüter
schon bedrückend. Wenn danach auch noch heftiger Regen kommt, und plötzlich
Blitze einschlagen und lauter Donner die Luft durchdringt, dann fangen manche
kleinen Kinder aus Furcht an zu weinen. Sogar Hunde verkriechen sich dann.
Ich fragte Mutter: "Was passiert denn da?"
Mutter sagte: "Der liebe Gott schimpft, weil die Menschen so böse sind."
Diese Aussage erzeugte danach eine ganze Liste von weiteren Fragen.
Ich bekam eine ganze Menge von Antworten. Darunter waren folgende:
Es gibt da einen Gott. Der ist ganz groß und mächtig, aber lieb. Die Menschen
sind böse. Das mag der Gott nicht. Dann schimpft er. Das sieht dann wie ein
Gewitter aus.
Insgesamt bilden diese kleinen Aussagen - man nennt sie Narrative - schon ein
Gedankengerüst für neue Geschichten. Man kann wieder andere Geschichten daraus
zusammenbauen.
Und wer als Zuhörer die kleinen Aussagen einmal glaubt, glaubt eher die
daraus neue zusammengesetzten Geschichten und lässt sich so leichter
beeinflussen.
Es bleibt dann weiter eine neue Frage:
Und warum und wie sind Menschen böse?
Nun kam als Antwort: "Sie haben sich beim Spielen dreckig gemacht."
War ich jetzt schuld an dem Gewitter?
Aber das ist dann eine neue Geschichte.
Die Schöpfungsgeschichte
Es wird in dieser Geschichte erzählt, wie die Welt entstanden sein soll.
Die Geschichte wurde etwa um 300 vuZ in das Alte Testament aufgenommen.
Die älteren Versionen des Alten Testaments, die etwa ab 600 vuZ entstanden sind,
enthalten diese Geschichte noch nicht.
Das Bild der Welt als Hohlkugel aus einer durchsichtigen festen Masse, in der
innen die eigentliche Erdkugel enthalten ist, entstammt griechischen
Vorstellungen. Das Blau des Himmels erklärte man sich mit einem Himmelsozean,
der über der Hohlkugel fließen würde.
Ich gebe hier eine Kurzfassung der Schöpfungsgeschichte.
- Zuerst macht Gott die Erde, wüst und leer und finster.
Dann macht er Licht und trennte Licht und Finsternis - oder auch Tag und
Nacht.
- Dann macht er das Firmament. Es ist eine feste innen hohle Glaskugel mit
dem Himmelsozean darüber.
Das nennt Gott den Himmel.
- Anschließend trennt er unter dem Himmel - also innerhalb der Kugel - das
Wasser vom Trockenen. So entsteht das Meer und das Land.
Dann macht Gott die Pflanzen.
- Erst jetzt folgen Sonne, Mond und Sterne, die Tag und Nacht regieren.
Sie sind am Himmel angeheftet.
- Nun folgen die Tiere.
- Dann kommt der Mensch, der alles beherrschen soll.
- Danach ist Ruhetag.
Aufbauend auf dieser Geschichte konnte ein mittelalterlicher Theologe nun
predigen
Wir müssen eigentlich dem Herrn, unserm Gott, danken,
dass er es so weise eingerichtet hat,
dass die Sonne am Tag scheint, und nicht nachts.
Denn nachts würden wir schlafen und hätten nichts von ihr.
Wir Menschen wollen gerne wissen, wie etwas abgelaufen ist, wieso es gerade so
abgelaufen ist, warum es überhaupt passiert ist.
Man kann sich als Erklärung dazu viele Geschichten ausdenken. Die plausibelste
Geschichte ist am Ende die beliebteste. Ob sie wahr oder falsch ist, lässt sich
zur Zeit der Entstehung der Geschichte noch nicht beweisen.
Wenn wir jedoch die Schöpfungsgeschichte ansehen, so hätten die Menschen aus
der damaligen Zeit schon manche Aussagen widerlegen können.
Dass die Helligkeit des Tages und die Dunkelheit der Nacht vom Stand der Sonne
abhängen, das hätte auch damals schon auffallen müssen.
Bei einer Sonnenfinsternis wird es doch offensichtlich, dass bei der Abdeckung
der Sonne die Finsternis zunimmt. Die Griechen wussten es schon;
die Schreiber des Alten Testaments wohl nicht.
Ja, und dann gab es noch Menschen, die andere Menschen töten, ja sogar
verbrennen ließen, wenn sie eine dieser ausgewählten "heiligen" Geschichten
anzweifelten oder nicht glauben wollten.
Überhaupt sind die Geschichten des Alten Testaments
(siehe auch...) und auch das gesamte
Christentum (siehe auch...) insgesamt
höchst zweifelhaft.
Zusammenfassung zu "Warum erzählt man eigentlich Geschichten?"
- Eine Geschichte muss den Menschen gefallen. Sonst wird sie nicht weiter
erzählt.
- Die Menschen hängen viel lieber an einer netten, aber total verlogenen
Illusion als an einer abstoßenden Wirklichkeit.
- Jede Geschichte enthält viele kleine Aussagen, die wahr, aber auch
falsch sein können.
- Der Erzähler will die Zuhörer in ihrem Denken und Handeln
beeinflussen.
- Du selbst musst entscheiden, in wie weit Du einer Geschichte Glauben
schenkst.
Wenn viele der kleinen Aussagen von einer Gruppe Menschen geglaubt werden,
so kann man von einer Ideologie dieser Gruppe sprechen.
Welche Geschichten gefallen Menschen?
Auch hier möchte ich wieder mit Beispielen beginnen.
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Es ist eine herzallerliebste
Verfilmung eines alten
Märchens.
Es ist die Geschichte eines unterdrückten armen Mädchens, das vom Sohn des
Königs geheiratet wird.
Es ist ein Wunschtraum einer Unterprivilegierten, die unverhofft zum ganz großen
Glück kommt. Diese Märchen enden meist mit "Und alle Not hat nun ein Ende."
Teile dieser Geschichte erkennt man auch in den Büchern über
Harry Potter.
Auch hier haben wir einen unterdrückten Menschen, der unverhofft zum ganz
großen Helden wird und nun seine
Heldenreise gegen das Böse antritt.
Eine weitere Variante ist der American Dream, auch als Geschichte
Vom Tellerwäscher zum Millionär bekannt.
Nach dieser Geschichte kann angeblich jeder durch eigene harte Arbeit reich
werden.
Immer wieder glauben manche diese Geschichte. Und alle erkennen am Ende, dass
es nicht funktioniert. Sie bleiben arm - selbst wenn sie sich kaputt gearbeitet
haben.
Der Herr der Ringe
In dieser Geschichte wird hier eine absolut realitätsferne
Phantasiewelt geschaffen, die durch ihre vielen Einzelheiten besticht.
Zu vielen dieser Einzelheiten gibt es dann noch Teilgeschichten, die sich zu
einem komplexen Ganzen verbinden. Gerade diese Komplexität wirkt auf den
Zuhörer stark ein und zieht ihn in ihren Bann. Die Zuhörer wollen so immer mehr
über die Hintergründe in dieser Phantasiewelt erfahren.
Der Autor des "Herrn der Ringe" erstellte sogar eine eigene Schöpfungsgeschichte
für diese seine Welt.
Die Akteure in der Geschichte sind meist höhere Wesen, die in unserer
Vorstellung zwischen Engeln und Königen einzuordnen sind.
Einige der höheren Wesen sind jedoch auch böse.
Daneben gibt es noch Menschen und menschenähnliche Wesen, etwa Zwerge und
Hobbits.
Das Hauptthema der Geschichte sind jedoch die 20 Ringe der Macht, die zur
Verteilung unter den verschiedenen Arten von Wesen (etwa Elben, Menschen,
Hobbits und Zwergen) vorgesehen waren. Mit diesen Ringen sollte die Macht den
Königen dieser Wesen übergeben werden.
Einer der höheren Wesen, der böse Sauron, konnte 17 dieser Ringe jedoch unter
seine Kontrolle bringen.
In seinem eigenen Ring, dem "Einen Ring", konnte er seine eigene Macht,
sein eigenes Selbst und die Herrschaft über de 17 anderen Ringe speichern.
Man fühlt sich unwillkürlich an einen
Horkrux in den Harry-Potter-Geschichten erinnert.
Obwohl Sauron selbst schon lange körperlich tot war, konnte er über seinen Ring
geistig immer noch handeln. Für ihn kämpften ganze Armeen, die von den
kontrollierten anderen Ringträgern angeführt wurden.
Erst als der "Eine Ring" von zwei Hobbits vernichtet werden konnte, war Sauron
endgültig tot, und das von ihm erzeugte Elend war zu Ende.
Bei der Betrachtung dieser Geschichte muss man zuerst festhalten:
Unter Macht versteht man die Fähigkeit über Kräfte,
Einfluss, Mittel zu verfügen, um damit auf andere Einfluss ausüben zu können,
auch gegen deren Willen.
Die Vorstellung in dieser Geschichte allerdings, dass man Macht auch in
Gegenständen - hier dem "Einen Ring" - speichern zu könne, ist schon eine
Zumutung für einen denkenden Menschen.
Und dass diese Macht aus dem Gegenstand heraus auf andere einwirken
könne, ist nun wirklich nicht mehr glaubhaft.
Auch in der Darstellung der kriegerischen Auseinandersetzungen kennt diese
Geschichte keine Grenzen der Geschmacklosigkeit mehr. Beim Betrachten mancher
Szenen im Fernsehen stieg der Ekel so in mir hoch, dass ich schließlich
abgeschaltet habe.
Und dass in der Erzählung am Ende - nach der Vernichtung des Ringes - ein
Adler die Akteure von einem Fels gerettet habe, der von einem Lavastrom
umflossen wird, das ist eine Beleidigung jeden menschlichen Verstandes.
Der Adler wäre in Flammen aufgegangen, und von den
Helden wären nur verkohlte Knochen übrig gewesen.
Trotz alledem sind manche Menschen von dieser Geschichte begeistert.
Offensichtlich hält manchen die Faszination des Abscheulichen so fest,
dass er diese Geschichte weiter lesen muss.
Kritik an den "schönen" Geschichten
Eine besonders häufige Spielart der "schönen" Geschichten ist die
Heldenreise.
Ganz kurz beschrieben zieht darin ein Held aus, um das Böse zu besiegen.
Mit Freunden macht er sich auf den Weg.
Nach mehreren Auseinandersetzungen erledigt er den Verursacher des Bösen.
Er kehrt danach zurück und alles ist wieder gut.
Es ist geradezu auffällig, wie viele Erzählungen diesem Muster folgen.
Das Klischee der Heldenreise in einer Geschichte erkennt man beispielsweise
in der Abfolge ihrer
Handlungsschritte.
Ich habe hier das Erklärungsmodell von Vogler verlinkt.
Die Geschichte von "Harry Potter" und auch der "Herr der Ringe" sind solche
Heldenreisen. Sogar die Gründung der katholischen Kirche könnte man als eine
Heldenreise von Jesus, dann Paulus und schließlich Konstantin zu einer
Geschichte zusammenfügen.
Gerade in Wildwestfilmen wurde dieses Klischee der Heldenreise so ausgelutscht,
dass manche Zuschauer bei dieser Art von Filmen schon vom Anfang an das Ende
erraten können.
Einige besonders bedeutsame Einzelheiten werden in den "schönen" Geschichten
jedoch fast immer verschwiegen.
Es handelt sich um die wirtschaftlichen Hintergründe.
- Wer bezahlt die Transportmittel?
- Wie werden die Handelnden verpflegt?
- Wer stellt dem Held die Waffen zur Verfügung?
- Wer bezahlt die vom Helden verursachten Schäden?
Wahre Geschichten
Ob eine Erzählung wahr ist, oder ob sie nur der Phantasie entspringt, ist bei
einigen Geschichten eigentlich gar nicht so wichtig - etwa bei Märchen, Sagen,
Romanen oder Science-Fiction. Sie dienen ja nur zur Unterhaltung.
Das können wir ja an den obigen Beispielen auch klar erkennen.
Bei Nachrichten oder bei
Berichten ist das jedoch ganz anders.
Da geht man davon aus, dass diese Geschichten - zumindest in den Grundzügen -
der Wahrheit entsprechen.
Kennzeichnend für Nachrichten und Berichten sind Informationen zu den
folgenden Fragen:
- Wer war betroffen? Wer war beteiligt?
- Wo ist es passiert?
- Was ist geschehen? Wie ist es abgelaufen?
- Wann ist das alles passiert?
- Warum ist es passiert?
- Woher stammt die Nachricht?
Nachrichten und Berichte sind eine Urform der menschlichen Gespräche.
Am Anfang waren Erlebniserzählungen besonders gefragt, etwa wie einer
sich vor einem Raubtier hat retten können, oder gar wie er ein Raubtier
erlegte.
Und wenn einmal ein Unglück passierte, erzählte man sich, warum es passierte
ist, wie es ablief, und wie man sich hat retten können.
Gerade in den Erzählungen über Unglücke konnten die Menschen damals Ratschläge
zum Überleben finden und diese an andere Menschen weitergeben.
Das ist auch der Grund, warum wir auch heute noch mehr an schlechten Nachrichten
interessiert sind als an guten. Und deshalb finden wir in den Medien so viele
schlechte Nachrichten.
Eine weitere Art von Nachrichten, bei dem besonders auf Wahrhaftigkeit geachtet
werden muss, sind Lehrstoffe, heute zumeist gesammelt in
Lehrbüchern.
Für unsere Vorfahren als Jäger und Sammler waren Themen interessant, wie
- Wie mache ich aus Stein ein Messer?
- Wie zerlege ich ein totes Tier?
- Wie mache ich das Fleisch des Tieres haltbar?
- Welche Tiere oder Pflanzen sind essbar?
- Welche Pflanzen helfen bei Verletzungen?
Nach der Umstellung auf Landwirtschaft gab es viele neue Lehrstoffe.
- Welche Pflanzen bringen hohe Erträge?
- Wie schütze ich meine Lebensmittelvorräte vor hungrigen Jägern?
- Wie mache ich aus Wildtieren Nutztiere, die mir die Arbeit erleichtern?
Das heutige gesammelte Wissen der Menschheit, seine Weitergabe und
Erweiterung werdern als Wissenschaft bezeichnet.
Leider gibt es heute immer wieder Menschen, die ihren eigenen
Phantasiegeschichten Vorrang geben vor den nachprüfbaren Fakten aus der
Wissenschaft.
Manchmal fühlt man sich ins Mittelalter zurück versetzt, wo Faktenwissen auch
verfolgt wurde, nur weil es bestimmten Ideologen nicht ins Weltbild passte.
Ich erinnere nur an Galilei und Copernicus und deren Verfolgung durch die
damalige katholische Kirche.
Wie erkennt man, ob eine Geschichte wahr ist?
In dem obigen Abschnitt über die Geschichte "Das Gewitter"
habe ich ausgeführt, dass eigentlich jede Geschichte aus vielen kleinen
Aussagen besteht.
Auf die kindliche Frage, was sich bei einem Gewitter abspiele, erhielt ich als
Antwort:
Der liebe Gott schimpft, weil die Menschen so böse sind.
Diese einfache Antwort ist schon eine eigene Geschichte. Sie enthält bereits
mehrere einzelne kleine Aussagen:
Es gibt einen Gott. Der ist lieb. Die Menschen sind böse.
Das mag der Gott nicht. Dann schimpft er. Das erlebe ich dann selbst bei dem
Gewitter.
Ich mache mir nun meine eigenen Gedanken:
Der Gott muss sehr mächtig sein, wenn er so ein Getöse am Himmel
machen kann. Er ist bei einem Gewitter auch gar nicht allzu weit entfernt.
Weil er lieb ist, müssen wir aber auch keine Angst haben.
Durch meine eigenen Gedanken habe ich die Geschichte nun schon erweitert.
Ich habe nämlich eigene Aussagen ergänzt, die ich aus anderen Geschichten
kenne, und die ich nun einfach neu zusammengebaut habe.
Es geht wohl allen Menschen so, dass sie sich zu jeder gehörten Geschichte
eigene kleine Aussagen hinzufügen.
In Laufe des Lebens hat ein Mensch viele Geschichten erfahren, und er hat sie
für sich mit Aussagen ergänzt. Auf diese Weise haben sich im Denken eines
Menschen aus unterschiedlichen Geschichten sehr viele kleine Aussagen angehäuft.
Diese ergänzen in seinem Verstehen automatisch jede Geschichte, die er einmal
gehört hat. Und sie ergänzen automatisch auch diejenige Geschichte, bei der er
gerade zuhört.
Die so in einem Menschen nun angehäuften kleinen Aussagen sind nicht alle wahr.
Oft erkennt der Mensch das gar nicht.
In den bisher hier als Beispiele aufgeführten Geschichten ist sogar die
Mehrheit der Aussagen nicht wahr.
Und durch diese unwahren Aussagen wird jede neu gehörte Geschichte
insgesamt nun auch unwahr oder zumindest zweifelhaft.
Deshalb ist es enorm wichtig, die kleinen Aussagen genau zu
beobachten. Wir sollten sie immer wieder hinterfragen.
Greifen wir wieder zu einem Beispiel.
Nehmen wir die kleine Aussage: Es gibt Götter.
Zu dieser Aussage gib es keinen Beweis, der klar erkennbar zeigt,
ob es Götter (oder überhaupt nur einen Gott) gibt oder auch nicht.
Deshalb hilft uns die Wissenschaft da nicht weiter.
Wer der Aussage "es gibt Götter" zustimmt, wird bald nach Geschichten über
Götter suchen.
Er findet dann bald viele neue kleine Aussagen über Götter.
Manche meinen auch es gäbe nur einen Gott.
Auch sie werden dann Geschichten suchen, die diese ihre Meinung bestätigen.
Dann gibt es Menschen, die sagen es gibt keinen Gott. Sie neigen dann zu
Aussagen, dass die Menschen sich die Götter selbst ausgedacht haben.
Dafür suchen und finden sie Erklärungen.
Und nicht zu vernachlässigen: Es gibt Menschen, die sagen, es sei ihnen
völlig gleichgültig, ob es Götter gibt oder nicht.
Sie interessiert das alles nicht. Darüber zu erzählen, halten sie für
Zeitverschwendung.
Zu der kleinen Aussage "Es gibt Götter" haben Menschen recht unterschiedliche
Meinungen. Der Hauptgrund dafür ist, dass es keinen Beweis gibt,
ob es Götter gibt oder auch nicht.
Nehmen wir als nächstes die kleine Aussage: Die Erde ist eine Scheibe.
Die Gegenaussage dazu lautet: Die Erde ist eine Kugel.
Diese Aussage der Kugelgestalt der Erde kann eindeutig jederzeit nachgewiesen
werden und gilt damit als wissenschaftlich gesichert und somit als
wahr.
Deshalb wird die Kugelgestalt der Erde nur von sehr wenigen Menschen
angezweifelt.
Die Befürworter der Scheibengestalt bauten sich nun selbst
Geschichten, um ihre Aussage zu erhärten.
Sie haben sich sogar in der
Flat Earth Society organisiert.
Die Aussage der "Flachen Erde" und die dazu gehörigen Geschichten sind für die
anderen Menschen jedoch ziemlich uninteressant.
Als weiteres Beispiel wähle ich die Schöpfungsgeschichte.
Ich habe sie bereits oben beschrieben.
Ich selbst habe den allgemein anerkannten zeitlichen
Ablauf
bei der Entstehung der Welt und des Sonnensystems, als Gegenaussage dazu,
ausführlich in einem Bericht dargelegt.
Obwohl die Schöpfungsgeschichte inzwischen grundlegend und klar widerlegt ist,
glauben immer noch einige Menschen daran. Man nennt diese Menschen
Kreationisten.
Die Grundvoraussetzung, dass man die Schöpfungsgeschichte überhaupt
glauben und annehmen kann, ist der Glaube an den einen Gott.
Dann muss man noch annehmen, dass dieser Gott sich den Menschen offenbart
habe in einem heiligen Buch, dem Alten Testament.
Und dann muss man noch annehmen, dass diese Offenbarung nicht nur symbolisch,
sondern wörtlich - Wort für Wort - zu verstehen ist. (Hier machten schon
die Kirchenväter aus der Zeit des Urchristentums nicht mehr mit; und die
Mehrheit der heutigen Kirchen auch nicht. Für sie ist die Schöpfungsgeschichte
rein symbolisch zu verstehen.)
Wir haben da schon einige der kleinen Aussagen, die wir zumindest für
uns selbst hinterfragen sollten.
Nun gibt es Menschen, die religiösen Aussagen mehr glauben als
wissenschaftlichen Aussagen. Sie sagen: Zuerst kommt die Bibel. Danach kommt
erst die Wissenschaft. Und wenn die Wissenschaft zu einem Thema etwas anderes
sagt als die Bibel, so ziehe ich die Bibel vor.
Diese Menschen versuchen nun, sich eigene Geschichten auszudenken, die die
Schöpfungsgeschichte untermauern sollen. Sie geben für solche Geschichten sehr
viel Geld aus.
Sie versuchen, ihren Geschichten einen wissenschaftlich Status zu geben.
Sogar in den Schulen wollen sie ihre Geschichten als Lehrstoff einbauen.
Zusammenfassung
Die heute verbreiteten Geschichten enthalten Wahrheiten, Halbwahrheiten und
Falschaussagen in einer chaotischen Mischung. Wir sollten also eine
zurückhaltende Distanz wahren.
- In jeder Geschichte sollte man die kleinen Aussagen hinterfragen.
Wir sollten deren Wahrheitsgehalt prüfen.
Die Wissenschaft hilft dabei.
- Menschen glauben die ungewöhnlichsten Geschichten.
Selbst wenn alle Menschen eine Aussage glauben, so muss die Aussage nicht wahr
sein.
Denke an den Hexenwahn.
- Viele Menschen wollen ihre kleinen Aussagen einfach nicht aufgeben.
Sie haben sie lieb gewonnen und wollen sich nicht davon trennen.
So verharren sie im Irrtum.
Wie uns Geschichten beeinflussen
Manche Geschichte möchte ich anhören oder als Video ansehen.
Das kann beispielsweise ein Bericht im Fernsehen sein.
Das kann aber auch ein Vortrag zu einem für mich interessantem Thema sein.
Manchmal konsumiere ich eine Geschichte auch, weil ich meine Gedankenwelt
auf den neuesten Stand bringen will.
Dann gibt es Geschichte, die ich nicht ausgewählt oder angefordert habe.
Sie werden mir von außen zugetragen. Das können irgendwelche Nachrichten meiner
Mitmenschen sein, die sie mit mir teilen wolle.
Es können aber auch Reden eines Marktschreiers sein, eine Werbung oder gar
ein Betrugsversuch.
Ich nehme die Geschichte zuerst einmal zur Kenntnis. Und ich mache mir meine
eigenen Gedanken dazu.
Meine erste Frage zu der Geschichte wird sein: Betrifft das mich?
Ist das interessant oder kann das weg?
Meine nächste Frage sollte sein:
Will da einer etwas von mir?
Und das ist das Thema dieses Kapitels.
Schockanrufe
Du bekommst einen Anruf und eine hörbar gestresste Person erzählt in einem
weinerlichen Ton: "Hallo Oma, mir ist etwas ganz ganz schreckliches passiert.
Ich habe einen Unfall gebaut und einen anderen totgefahren. Und jetzt hat mich
die Polzei und locht mich ein. Es tut mir ja alles so leid."
Gleich darauf folgt eine männliche Stimme: "Hier spricht Polizeimeister Meier.
Wir mussten Ihre Enkelin festnehmen. Sie sitzt bis zur Eröffnung eines
Gerichtsverfahrens in Untersuchungshaft. Das kann noch einige Monate
dauern." Nach weiteren ähnlichen Sprüchen erwähnt der angebliche Polizist,
gegen eine Zahlung von Geld könne die Enkelin auf Kaution bis zum Prozess
freikommen.
Ganz wichtiger Tipp:
- Die Enkelin hatte keinen Unfall und der angebliche Polizist ist ein
Verbrecher.
- Lege also den Telefonhörer sofort auf.
- Der Verbrecher ruft noch mehrmals an. Gehe also nicht mehr ans Telefon.
- Benütze ein Telefon mit einer anderen Nummer, etwa das Deines Nachbarn.
Rede über den Anruf mit Deinem Nachbarn.
- Gib niemals Geld oder Wertsachen an einen Fremden.
Lese die Info der Kriminalpolizei:
Vorsicht vor falschen Enkeln
Dort kannst Du in einem Menü links auch auswählen, vor welchen anderen
Betrugsmaschen Du Dich schützen solltest.
Gerade diese Schockanrufe zeigen, wie leicht doch Menschen auf Betrügerbanden
hereinfallen können. Und diese Betrüger können ganz beachtliche Geldmengen
immer wieder einsammeln.
Beachte die kleinen Aussagen:
- Wenn einer sagt, er sei ein Familienmitglied, so sind wir sofort
angespannt.
Am Telefon erkennen wir ihn nicht und auch seine Körpersprache nicht.
Wir sind geneigt, ihm zu glauben. Vorsicht!!!
- Wenn einer sagt, er brauche Hilfe, dann tun wir unser bestes.
Aber er braucht womöglich gar keine Hilfe.
- Einer sagte, er sei ein Polizist, so glauben wir, er sei auch einer.
Das ist falsch.
Werbung
Die Geschichten in der Werbung haben nahezu alle einen ganz banalen Inhalt:
Kaufe unser Produkt und Du hast viele Vorteile in Deinem
Leben.
Das Produkt wird klar gezeigt, der Hersteller wird groß genannt. Dadurch ist
das Produkt leicht wieder zu erkennen.
Dann werden lachende, anscheinend glückliche Menschen gezeigt, die das Produkt
benützen. Die Aussage ist meistens "Dieses Produkt macht Dich glücklich."
Das Wort Werbung ist eine Beschönigung des früher dafür benützten Wortes
Reklame. Reklame ist die Tätigkeit eines Marktschreiers. Im englischsprachigen
Raum ist das Wort Ads üblich. Es ist eine Abkürzung für Advertisement, also
einer Zeitungsanzeige.
Ganz besonders lästig ist Werbung im Fernsehen oder auf dem Smartphone.
Man wird da zugetextet mit Geschichten über Produkte, die man nicht sucht, und
die man eigentlich gar nicht haben will.
Ich selbst sehe darin eine Nötigung.
Werbung will Deine Gefühle ansprechen, um Dir das Produkt auch gegen
Deine eigenen Vorbehalte anzudrehen.
Die dabei benützten Versprechen sollten der Wahrheit entsprechen.
Leider sind es aber oft Halbwahrheiten, seltener sogar offene Lügen.
Aber Werbung hat Wirkung. Menschen fallen darauf herein. Und selbst gegen
die Belästigung, die die Werbung ja darstellt, sind die Menschen inzwischen
weitgehend geistig abgestumpft.
Ganz anders ist eine Produktinformation.
Die bekommt man Hinweise zu Produkten, die man selbst aktiv sucht.
Die Produktinformation sollte eine klare Beschreibung der Eigenschaften des
gesuchten Produktes liefern.
Aber auch da gibt es schon Missbrauch. Du suchst ein Produkt und Du bekommst
einen Schauspieler, einen Influencer (deutsch Beeinflusser), der Dir
Schwachsinniges über das gesuchte Produkt daherschwätzt.
Ich habe über Werbung auch schon an anderer
Stelle geschrieben.
Botschaften an das Gefühl
In Kapitel Welche Geschichten gefallen Menschen? habe ich
schon aufgezeigt, wie eine Geschichte einen Menschen in ihren Bann ziehen
können.
Bei meiner Erwähnung der Schockanrufe habe ich gezeigt,
wie leicht doch Betrüger Menschen beeinflussen können.
Mit der Beeinflussung von Menschen beschäftigen sich heute ganze
Wissenschaftszweige.
Dabei geht es denen nicht etwa darum, Menschen vor solchen Beeinflussungen zu
beschützen. Nein, ganz im Gegenteil. Denen geht es darum, Menschen für solche
Machenschaften zugänglich zu machen. Insbesondere die Werbeindustrie ist höchst
interessiert an solchen Irreleitungen unbedarfter Menschen.
Lobbyismus in der Wissenschaft
Die Absicht der Manipulation sollte erkennbar sein.
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