von Werner Sticht

Die allein seligmachende katholische Kirche

Es handelt sich bei diesem Text um eine Erinnerung aus der Zeit um 1960.

Ja, ich kann mich noch gut an jene Nonne erinnern, die uns in der Volksschule den katholischen Glauben näherbrachte. Immer wieder sagte sie uns, wir müssten unter allen Umständen in den Himmel kommen. Dafür dürfe uns nichts zu viel sein.
Und immer wieder wies sie uns darauf hin, dass die katholische Kirche die einzige sei, die es uns ermöglicht, selig zu werden. Sie sagte uns immer wieder, die katholische Kirche sei die allein seligmachende, und wir hätten Gottes besondere Gnade gewonnen, gerade dieser Kirche anzugehören.

Später, im Kommunionunterricht, erklärte uns dann der Pfarrer, dass man eine Todsünde begeht, wenn man am Sonntag einmal nicht zur Kirche geht. Und wer mit einer Todsünde stirbt, kommt unweigerlich sofort in die Hölle. Aber es gibt ja das Sakrament der Beichte, bei dem ein Priester die Todsünden im Namen Gottes später nachlassen kann, so als wären sie nie passiert. Man muss nach einer Todsünde nur schnell genug beichten. Dann kann man wieder in den Himmel kommen.

Neben diesen Lehren gab es dann noch verschiedene Predigten von Klosterbrüdern, die uns vor der heiligen Kommunion noch im Glauben weiter festigen sollten. Einer dieser heiligen Herren griff das Thema von der "allein seligmachenden katholischen Kirche" wieder auf. Er verwies auf die evangelische Kirche und behauptete, dass die, welche dieser Kirche anhingen, alle nach ihrem Tode unweigerlich in die Hölle kämen.

Er sagte uns, dass die evangelische Kirche von einem abgefallenen Priester, nämlich Martin Luther, herrühre. Luther war zwar Priester, aber er war kein Bischof. Aber nur als Bischof hätte er weitere Priester weihen können. Deshalb sind auch alle evangelischen Pastoren keine Priester, denn sie wurden von keinem Bischof geweiht. Ebenso ist ein Gottesdienst, die von einem evangelischen Pastor gehalten wird, keine gültige heilige Messe, denn der evangelische Pastor ist kein geweihter Priester.
Wenn nun ein evangelischer Gläubiger sonntags den evangelischen Gottesdienst besucht, so ist das keine gültige Messe und der evangelische Gläubige vermeidet damit nicht die Todsünde. Der evangelische Gläubige müsse zusätzlich in die katholische Messe gehen, um die Todsünde zu vermeiden.
Die evangelischen Pastoren können dem evangelischen Gläubigen diese Todsünde auch nicht nachlassen. Das kann nur ein von einem Bischof geweihter Priester bei der Beichte tun. Die Beichte haben die Evangelischen aber auch nicht.

Da die evangelische Gläubigen nicht in die katholische Messe gehen, fallen sie jeden Sonntag der Todsünde anheim, die ihnen der evangelische Pastor nie nachlassen kann. Somit kommen die evangelischen Gläubigen alle in die Hölle, auch wenn sie sonst noch so rechtschaffen leben.
Gott möge sich ihrer armen Seelen erbarmen !

Nun hatte ich damals auch einen evangelischen Freund. Ich hatte es mir erlaubt, mit einem dieser, zwar Getauften, aber ansonsten fast heidnischen Menschen, zu reden und mich mit ihm zu verstehen.
Aber gerade weil wir uns gut verstanden, wollte ich keinesfalls, dass er in die Hölle komme, wo er von Teufeln auf ewige Zeiten gefoltert, gebraten, gemartert werde.

So kamen wir über Religion ins Gespräch. Er erzählte mir auch von seinem Religionsunterricht. Er nannte mir ein Wort, das ich bisher nicht kannte : Es hieß "Toleranz". Er gab sich wirklich sehr viel Mühe, mir den Sinn dieses Wortes beizubringen. Und er sagte mir, in seinem Religionsunterricht werde oft und viel darüber gesprochen.

Er sagte mir, dass unser gemeinsamer Gott ein guter Gott sei, wobei ich ihm voll zustimmte. Auch verehre er Gott genauso, wie ich ihn verehre. Auch hier waren wir einig. Aber, so fragte er mich, ist dieser Gott denn immer noch ein guter Gott, wenn er einige seiner ihn verehrenden Gläubigen nur deshalb auf die bestialischste Art verdammt, nur weil diese in eine andere Kirche mit einem anderen Gottesdienst gehen ?

Ich habe mich seitdem entschieden, weiterhin an den guten Gott zu glauben. Ich kam zur Überzeugung, dass ein guter Gott genug Gnade und genug Freiheit gewährt, ihn auf verschiedene Art zu verehren.
Und das bald darauf veranstalte zweite Vatikanische Konzil gab mir entsprechend Rückhalt.

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